Usability und digitale Barrierefreiheit –
ein unschlagbares Paar
Usability (Software-Ergonomie) und digitale Barrierefreiheit hängen direkt zusammen. Die Kombination daraus führt zu einer umfassenderen und inklusiveren Benutzererfahrung. Sie erfahren im Beitrag, wie Anforderungen an die Barrierefreiheit auch die Usability für alle Menschen verbessern und umgekehrt.
Wir starten mit einer kurzen Definition, die den Zusammenhang zwischen Usability und digitaler Barrierefreiheit verdeutlicht. Usability bedeutet, dass Anwendungen den Nutzenden dabei helfen, ihr Ziel effizient und zufriedenstellend zu erreichen. Ein anderes, weniger modernes Wort dafür ist Software-Ergonomie und auch das deutsche Wort „Gebrauchstauglichkeit“ ist sehr treffend. Die Barrierefreiheit (Accessibility, kurz A11Y) wiederum sorgt dafür, dass Anwendungen von allen Nutzenden verwendet werden können, unabhängig von ihren Einschränkungen. Beides hängt also unmittelbar zusammen und sollte daher auch gemeinsam betrachtet werden, beispielsweise bei der Umsetzung von Web-Anwendungen.
Normen und vom Gesetzgeber definierte Anforderungen
Die digitale Barrierefreiheit ist auf Bundesebene im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) verankert. Bundesländergesetze können von den Anforderungen auf Bundesebene abweichen.
„In Kundenprojekten müssen wir daher immer darauf achten, in welchem Bundesland wir gerade unterstützen, und die jeweiligen Ländergesetze vor Augen haben. Die bekanntesten weltweiten Richtlinien, die Anforderungen an die Barrierefreiheit für digitale Produkte enthalten, sind die Norm EN 301549 und die Web Content Accessibility Guidelines 2.1 bzw. 2.2“,
erläutert Knut Ludwiczak, Senior Accessibility Consultant bei Materna.
In der Norm EN 301549 ist auf über 180 Seiten detailliert nachlesbar, welche Anforderungen an Web-Anwendungen, Non-Web-Anwendungen, Applikationen, Apps, Dokumente usw. bestehen. Bei den ergonomischen Anforderungen ist die Normenreihe DIN EN ISO 9241 (Ergonomie der Mensch-System-Interaktion) besonders relevant. Hervorzuheben sind in dieser Normenreihe die Teile 110 und 112, die Empfehlungen zur Gestaltung und Informationsdarstellung von interaktiven Systemen geben.
„Wenn wir in Kundenprojekten Anwendungen auf ergonomische Anforderungen hin überprüfen, gehört die ISO 9241 immer mit zu unserem Werkzeugkasten“,
berichtet Knut Ludwiczak.
UX-Konzeption und UI-Design
Mit der Usability von Anwendungen beschäftigt sich bei Materna ein eigenes Competence Center. Hier arbeiten Spezialist:innen mit Fokus auf User Experience (UX) und User Interface (UI) bzw. UX-Konzeption und UI-Design.
Die UX-Konzeption ist spezialisiert auf das Erlebnis von Nutzenden, wenn sie mit einer Anwendung interagieren. Die Arbeit der Spezialist:innen startet hierbei mit der Analyse von Zielgruppen und ihren Benutzerbedürfnissen sowie von bereits existierenden Lösungen. Was funktioniert beispielsweise gut bei einer Anwendung, was muss verbessert werden. Daraus lassen sich klare Anforderungen ableiten sowie Strukturen, Skizzen und Prototypen erstellen, wie das digitale Produkt aussehen sollte. Die Prototypen werden in einem weiteren Schritt ans UI-Design zur Ausgestaltung übergeben. Usability Tests können zudem überprüfen, ob das Konzept dem Realitätsabgleich standhält.
„Das Ziel der UX-Konzeption ist es, ein effektives und angenehmes Nutzungserlebnis zu schaffen, also eine hohe Usability“,
weiß Luise Bergmann, die als Senior Concept (UX) Expert bei Materna arbeitet.
Im Unterschied zur UX-Konzeption wird im UI-Design, die Darstellung der Benutzeroberfläche, was eine Webseite, eine App oder eine Software sein kann, erarbeitet.
„UI-Spezialist:innen sind für die Gestaltung von Bedienelementen, Farben und Schriftarten sowie das Verhalten der einzelnen Elemente verantwortlich und dass man die Corporate Identity bzw. die Brand Guidelines in dem digitalen Produkt wiederfindet. UI-Design will eine ansprechende und intuitive Benutzeroberfläche schaffen“,
beschreibt Luise Bergmann, wie sich das UI-Design abgrenzt.
Full-Service-Agentur mit 40 qualifizierten und zertifizierten Mitarbeitenden
Nutzende im Fokus
Entscheidend ist, dass sowohl UX und UI als auch die digitale Barrierefreiheit den Nutzenden in den Fokus stellen, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Der überliegende Begriff ist das UX/UI-Design, also die Gestaltung eines digitalen Produktes. Teilaspekte davon sind die Ästhetik und die Funktionalität, das benutzerzentrierte Design, eine intuitive Oberflächengestaltung, Konsistenz und Einfachheit des digitalen Produktes. Ein Teilbereich davon ist auch die Software-Ergonomie, also die Usability. Wiederum ein Teilbereich der Software-Ergonomie ist die Barrierefreiheit. Das heißt, eine barrierefreie Gestaltung ist auch eindeutig im Design und in der Gestaltung eines digitalen Produktes verortet.
Im Vergleich der Interaktionsprinzipien aus den Normen für Software-Ergonomie mit Umsetzungsbeispielen basierend auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), also den Barrierefreiheitskriterien, sind deutliche Parallelen erkennbar. Nehmen wir das Beispiel der Selbstbeschreibungsfähigkeit. Das bedeutet, dass ein digitales Produkt ohne externe Hilfe nutzbar ist und Informationen liefert, die den Benutzer intuitiv führen. Parallel dazu findet man in den Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit z. B. die Erfolgskriterien „Beschriftungen oder Anweisungen“ sowie „Überschriften und Beschriftungen“. Das bedeutet, dass einerseits Beschriftungen und Anweisungen vorhanden und diese andererseits aussagekräftig sein müssen. Aussagekräftige Beschriftungen von Bedienelementen helfen z. B. sehenden und blinden Nutzenden bei der Orientierung, welche Benutzerhandlungen möglich sind und wie diese ausgeführt werden können.
So verbessert eine gute Barrierefreiheit auch die Usability
Wie eine gute Barrierefreiheit auch eine gute Usability herstellen kann, zeigen die nachfolgenden Beispiele.
- Die Nutzerführung verbessert sich, indem das digitale Produkt eindeutige Meldungen und Hinweise gibt und Nutzende anleitet. Eine leichtere Orientierung ist auch möglich, wenn Überschriften eindeutig sind, Seiten-, Dialog- und Dokumenttitel eindeutig gewählt sind und die Navigation konsistent ist.
- Bei Online-Formularen ist etwa eine logische Tastaturnavigation wichtig, sodass Nutzende mit der Tastatur von Feld zu Feld springen können, um nicht zwischen Maus und Tastatur wechseln zu müssen. Das funktioniert über die Tab-Taste und ist durch die Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit vorgeschrieben.
- Bei Formularen muss jedes Eingabefeld eine eindeutige, programmatisch ermittelbare und sichtbare Auszeichnung haben. Sind alle Elemente ordentlich beschriftet, profitieren davon alle Nutzende.
- Für grafische Bedienelemente und Farben müssen zusätzlich Alternativinformationen bereitgestellt werden, wodurch ein digitales Produkt leichter verständlich wird.
So verbessert eine gute Usability auch die Barrierefreiheit
Umgekehrt kann die Einhaltung der Usability-Kriterien auch die Barrierefreiheit verbessern. Hierbei spielen die drei übergeordneten Kriterien der Usability eine wichtige Rolle.
- Effektivität: Nutzende können ihr Ziel erreichen (und wissen auch wie).
- Effizienz: Nutzende können ihr Ziel mit so wenig Aufwand bzw. Ressourcen wie möglich erreichen.
- Zufriedenstellung: Nutzende finden die Anwendung angenehm zu bedienen.
Erfüllte Barrierefreiheitskriterien sorgen für eine allgemeine Zugänglichkeit für alle Nutzergruppen und erfüllen damit die Vorgabe der Effektivität. Damit eine Anwendung auch eine gute Usability hat, muss sie auch effizient und zufriedenstellend sein. Durch die Barrierefreiheit wird zwar eine Teilhabe ermöglicht, aber eine Anwendung ist nicht automatisch effizient bedienbar und führt nicht zwangsläufig zur Zufriedenheit der Nutzenden. Die Empfehlung ist daher, dass UX- und UI-Spezialist:innen zusammen mit Barrierefreiheitsexpert:innen barrierefreie Konzepte in Digitalprojekten erarbeiten.
Fazit
Haben Sie Fragen?