Ab sofort alles nur noch Low-Code, oder?

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Ab sofort alles nur noch Low-Code, oder?

Low-Code und No-Code-Ansätze (LCNC) gelten für die Ende-zu-Ende-Prozessdigitalisierung der öffentlichen Verwaltung als lohnend. Die grundlegende Idee von Low-Code ist es, Software mit Techniker:innen und Fachexpert:innen interaktiv und visuell zu entwickeln und die Code-Erzeugung zu automatisieren. Für eine erfolgreiche Umsetzung gibt es dennoch einiges zu beachten.

Die Nutzung grafischer Modelle und Diagramme in der Software-Entwicklung ist seit Jahrzehnten etabliert, um Abläufe, Algorithmen, Architekturen oder sonstige Artefakte verständlicher zu veranschaulichen. Vor ebenso langer Zeit wurde die Idee geboren, aus solchen Modellen automatisiert Code zu generieren oder die Modelle selbst ablauffähig zu machen.

Vor etwa zehn Jahren wurde hierzu der Begriff Low-Code geprägt. Der Begriff Low-Code soll hervorheben, dass mithilfe grafischer Ansätze weniger Code händisch entwickelt werden muss. Das bedeutet aber insbesondere, dass diese grafischen Modelle eine eindeutige Semantik besitzen müssen. Das heißt, sie haben eine festgelegte Bedeutung und diese Bedeutung kann dann in Code automatisch festgehalten werden. Bei Low-Code-Ansätzen geht es somit heute darum, die Entwicklung von Software durch die Nutzung semantisch eindeutiger, grafischer Bauelemente oder konfigurierbarer Tabellen zu unterstützen.

Für die Software-Entwickler:innen gestaltet sich die Arbeit dann in etwa so: Sie können per Drag&Drop grafische Bausteine zusammenfügen und daraus Code generieren lassen, anstatt diesen selbst von Hand zu schreiben. Zugleich führt die bessere Veranschaulichung der Software dazu, dass auch weniger programmieraffine Menschen an der Software-Entwicklung partizipieren. Zu implementierende Fachprozesse beispielsweise sind besser zu verstehen und zu überblicken, wenn sie grafisch notiert werden. Somit können sich Software-Entwickler:innen und Fachexpert:innen anhand der grafischen Visualisierungen besser über das zu lösende Problem verständigen. Diese bessere Abstimmung senkt nachweislich die Entwicklungskosten, verbessert den Ablauf von Entwicklungsprojekten und trägt zur fachlichen Verwendbarkeit der Software-Lösung erheblich bei.

Die Wahrheit über Low-Code

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Interessanterweise liest man häufig, dass durch den Low-Code-Ansatz die Entwicklung von Software-Lösungen ganz ohne ausgebildete Entwickler:innen erfolgen könne, also ein sogenanntes Citizen Development möglich wird. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass fachliche Expert:innen die Software-Entwickler:innen intensiver begleiten werden aus den oben genannten Gründen, also ein agiles Entwicklungsvorgehen weiter angekurbelt wird. Die Erwartung an eine reine „Selbstentwicklung“ von Software nur durch Fachexpert:innen ist übertrieben.

Weniger beachtet wird in diesem Zusammenhang, dass Low-Code eine geeignete, technische Ausbildung neben der fachlichen Expertise erfordert: Software-Entwicklung findet auch mit Low-Code-Ansätzen in komplexen Entwicklungsumgebungen statt. Das softwaretechnische Verständnis für den Bau komplexer Anwendungen muss zwingend vorhanden sein. Die Idee, „mal eben schnell“ zu neuen Software-Lösungen zu kommen, muss weiterhin in eine gesamtheitliche IT-Infrastruktur integriert werden.

Damit nicht genug: Da sind zum einen ungeklärte Fragen zur IT-Sicherheit – Stichwort „Schatten-IT“. Es droht ein möglicher Wildwuchs von LCNC-Anwendungen, die „unkontrolliert“ in Behörden entstehen und unter IT-Sicherheitsgesichtspunkten ein Einfallstor darstellen können. Zum anderen besteht durch die scheinbar einfache Entwicklung von LCNC-Lösungen die Gefahr, dass Aspekte wie Testbarkeit, Wartung, Betriebsfähigkeit und die Weiterentwicklung der Anwendungen zu wenig beachtet werden. Dies kann Behörden später im produktiven Regelbetrieb auf die Füße fallen.

Der Abgleich grundlegender qualitativer Anforderungen wie beispielsweise Mandantenfähigkeit, Integration in die vorhandene Systemlandschaft, Sicherheitsbetrachtungen, Software-Dokumentation oder Wartbarkeit mit den fachlichen Funktionalitäten einer LCNC-Anwendung ist auch weiterhin zwingend notwendig. Das Thema der IT-Governance muss ebenfalls beachtet werden: Auch bei der Verwendung von Low-Code-Ansätzen muss gewissenhaft beantwortet werden, wie Software-Lösungen effizient und effektiv einsetzbar sind, sodass sie zu einer verantwortlichen und vorschriftskonformen Entscheidungsfindung beitragen.

Das richtige Vorgehensmodell

Ein wichtiger Aspekt für den erfolgreichen Einsatz von Low-Code-Ansätzen ist das richtige Vorgehensmodell. Das gilt sowohl für professionell aufgestellte Low-Code-Developer-Teams als auch für von Citizen Development begleitete Entwicklungen. Die grundlegende Idee von Low-Code, Software mit Techniker:innen und Fachexpert:innen interaktiv und visuell zu entwickeln, und die Tatsache der automatischen Code-Erzeugung erlauben es, mit wenigen Handgriffen vieles in der Software umzubauen. Die Ergebnisse von Änderungen sind sofort in der Anwendung sichtbar und können ausprobiert werden. Änderungen an Fachprozessen werden also beispielsweise unmittelbar erlebbar.

Die grafische Darstellung solcher Aspekte und die daraus automatisierte Ableitung von Code und funktionierenden Software-Systemen fördert und erfordert agile Vorgehensmodelle also weit mehr als in der sonstigen Software-Entwicklung. Die klassische Vorgehensweise in der Verwaltung entlang des V-Modells XT muss dennoch nicht auf der Strecke bleiben: Schon seit längerer Zeit werden agile Vorgehensweisen in das V-Modell integriert. Das phasenagile Vorgehensmodell wird in der Verwaltung dennoch bisher nur wenig eingesetzt. Die Low-Code-Euphorie setzt aber gedanklich eine implizite Agilitäts-Euphorie voraus. Solange Agilität nicht gelebt wird oder gelebt werden kann, können sich auch die Vorzüge von Low-Code nicht voll entfalten.

Den Change begleiten

Ist die Verwendung von Low-Code einmal auf dem Weg, müssen auch die damit verbundenen Änderungen im Projektgeschehen kommuniziert und begleitet werden. Low-Code erfordert von allen Beteiligten nicht nur die „Lust am Malen“, sondern ein verändertes Mind-Set, nämlich den Willen zu mehr Interaktivität und Agilität in der Software-Entwicklung.

Deswegen ist es wichtig, die Einführung von Low-Code mit einem übergreifenden Change-Management zu begleiten und Antworten auf solche Fragen zu geben: Was steht im Fokus, eher die schnelle Umsetzung kleinerer, wenig komplexer „Stand alone“-Projekte oder Fachverfahren, die eine Integration und Interoperabilität mit anderen Anwendungen benötigen? Wie gehen wir mit Pilotierungen um und in welcher Reihenfolge binden wir welche Fachabteilungen ein? Solche Fragen kommen zwar nicht erst durch die Low-Code-Euphorie auf die Tagesordnung, aber das Mind-Set macht sie dringlicher denn je: Agilität erfordert Mitmachen, Mitmachen erfordert Veränderung und Veränderung erfordert eine Change-Kommunikation.

Herausfordernd ist es ferner, die richtige Balance zu finden zwischen Vorgaben und Freiräumen unter IT- und Betriebsabteilungen und der Fachseite bzw. Citizen Developer:innen. Weiterhin ist die Frage zu klären, ob überhaupt ausreichende und dauerhafte personelle Kapazitäten für die Umsetzung eines Citizen Developer:innen-Konzeptes in der Behörde vorhanden sind. In Zeiten des Mangels an Fachpersonal bzw. IT-affinen Sachbearbeitenden erscheint ein flächendeckender Citizen Developer:innen-Ansatz eher unrealistisch.

Integrations-Plattformen als strukturgebendes Element und tragende Säule

Low-Code ist keine Methode oder gar ein Paradigma. Low-Code ist ein Ansatz zur Entwicklung von Software. Der Begriff der Low-Code-Plattform ist schillernd: Gemeint sind Entwicklungs- und Betriebsumgebungen, die den IT-Lebenszyklus im Idealfall ganzheitlich bewirtschaften. Hierbei werden grafische Modelle und konfigurative Ansätze verwendet, um einige Aspekte der manuellen Codierung zu vermeiden und zu beschleunigen. Die richtige Wahl der Plattform ist also ebenso entscheidend für einen erfolgreichen Low-Code-Weg.

Die Eigenschaft einer hochgradigen Agilität machen sich auch Integrationsplattformen wie zum Beispiel Pega oder ServiceNow zu Nutze. Sie integrieren Low-Code als zentrales Feature, um beispielsweise Fachprozesse grafisch zu entwickeln, Schnittstellen per Tabellen zu konfigurieren oder Nutzungsoberflächen durch Drag&Drop von Interaktionsbausteinen zu entwerfen. Änderungen an Fachprozessen werden auf Knopfdruck bis in die grafische Benutzungsoberfläche (GUI) durchpropagiert und können unmittelbar verwendet werden.

Weiterhin verfügen solche Plattformen in der Regel über zahlreiche vorgefertigte Konnektoren zu Software-Lösungen, die in der Verwaltung bereits im Einsatz sind (u. a. SAP, FMS und eAkte). Auch bei einer durchgängigen Ende-zu-Ende-Prozessdigitalisierung kommt der integrative Ansatz moderner Plattformen ins Spiel. Sie führen unter Verwendung aller Systeme durch Fachprozesse und folgen dabei explizit und überprüfbar der jeweiligen IT-Governance. Integrative Plattformen sind zudem der richtige Ort, um die noch fehlende Fachlichkeit für durchgängig digitale und Ende-zu-Ende-Prozesse zu implementieren und die Datenkonvertierung zwischen den einzelnen Systemen zu übernehmen.

Ein kurzes Schlusswort

Die eigentliche Frage sollte nicht lauten: „Machen Sie auch Low-Code?“. Vielmehr sollte sie lauten: „Welche Integrationsplattform verwenden Sie für eine durchgängige Digitalisierung? Natürlich eine mit Low-Code!“ Passend dazu hat Materna kürzlich zusammen mit ServiceNow einen Zuschlag innerhalb der PD-Rahmenvertragsvergabe Low-Code erhalten.