Das Auto wird zum digitalen Ort
Die Freundin über WhatsApp fragen, was sie vom Lieferdienst haben möchte, gleich im Anschluss die Pizza bestellen und auf dem Weg noch eine E-Schnellladesäule zum Laden des Autos ausfindig machen. All das machen CarPlay und Android Auto möglich – und zwar während des Autofahrens. Für die Entwicklung mobiler Apps für die Nutzung im Auto gelten strenge Anforderungen an die Sicherheit und User Experience, wie die Experten von Materna im Beitrag berichten.
Carplay und Android Auto
Die Informationstechnologie entwickelt sich stetig weiter und erfasst alle Lebensbereiche. Vom PC, Mobilgerät oder Tablet bekannte Software und Apps haben mittlerweile Einzug in unsere Autos und den Straßenverkehr gefunden.
Apple hat mit CarPlay und Google mit Android Auto jeweils ein System entwickelt, mit dem Autofahrer:innen während der Fahrt verschiedene Smartphone-Funktionen über die Kommunikationsanlage im Auto nutzen können. Das Multimedia-Display im Auto dient somit als Anzeige- und Eingabeeinheit für auf dem Mobilgerät installierte Auto-Apps. Das Mobilgerät ist mit dem Auto ganz einfach über USB-Kabel oder wireless über Bluetooth verbunden. Aktuell sind bereits über 600 Automodelle mit Apple CarPlay und Android Auto ausgestattet.
Spezielle Vorgaben und Beschränkungen für Auto-Apps
„Damit Autofahrer:innen bei der Nutzung nicht vom Straßenverkehr abgelenkt werden, gibt es Einschränkungen im Funktions- sowie Informationsumfang der Apps. Es dürfen nur Apps im Auto verwendet werden, die die Sicherheit nicht gefährden. Entsprechend müssen Apps für diesen Anwendungsbereich speziell entwickelt bzw. angepasst werden. Bei der Entwicklung beachten wir daher bestimmte Vorgaben und Beschränkungen, die zu mehr Sicherheit bei den Nutzenden beitragen“, erklärt Olaf Schneider, iOS-Entwickler im Team Mobile Solutions bei Materna.
Apple und Google geben zum Beispiel vor, dass die Apps auf einen bestimmten Anwendungszweck hin spezialisiert und zu einer bestimmten App-Kategorie zuordenbar sein müssen. Darunter sind beispielsweise Apps für Audio bzw. Media für Musik und Podcasts, Communication bzw. Messaging Apps für den Austausch mit Freunden und Familie, Apps für elektrisches Laden, Tanken und Parken, Navigations-Apps und Lieferservice Apps für Essensbestellungen. Die derzeit unterstützten App-Kategorien beider Unternehmen sind in etwa vergleichbar. Die Hersteller fügen regelmäßig neue Kategorien hinzu oder erweitern bestehende.
Aus Sicherheitsgründen sind Apps aus den Bereichen Gaming oder Social Networking nicht erlaubt und werden nicht unterstützt. Generell dürfen Nutzende nicht abgelenkt sein und nicht aufgefordert werden, das Mobilgerät während der Fahrt zu nutzen. Die Nutzung soll sich auf das Multimedia-Display des Autos beschränken.
Damit dieses gewünschte Verhalten auch eingehalten wird, setzen Software-Entwickler:innen spezifische Templates für jede App-Kategorie ein. Die Templates teilen beispielsweise den Bildschirm auf und geben vor, an welchen Stellen welche Inhalte angezeigt werden dürfen. Die Verwendung der Templates ist eine Voraussetzung dafür, dass Apple und Google entwickelte Apps überhaupt akzeptieren. Das schränkt zwar die freie Gestaltung der User Interfaces ein, jedoch enthalten die Templates Funktionalitäten, die dann nicht mehr eigenständig implementiert werden müssen. Ein weiterer Vorteil der vorgebauten Templates besteht darin, dass die Bildschirme der Apps für Nutzende weitgehend vergleichbar aussehen. Autofahrer:innen finden sich auch während der Fahrt schnell darin zurecht.
Weiterhin ist es für Autohersteller so einfacher, die Anzeige der Templates zu optimieren, da die Größen (Höhen- und Seitenverhältnisse) von Display zu Display variieren können.
Apple und Google prüfen jede entwickelte App, bevor diese zur Nutzung im Auto bereitgestellt wird.
„Google überprüft beim Hochladen der App in die Google Play Console, ob die Software-Hersteller der Apps alle Android Auto Guidelines eingehalten haben. Ist dies der Fall, steht die App anschließend im Google Play Store zum Download bereit“,
erklärt Jan Goclik, Android-Entwickler im Team Mobile Solutions bei Materna. Auch Apple prüft, ob alle CarPlay Guidelines eingehalten wurden und verlangt ein sogenanntes Entitlement. Mit dem Entitlement wird geprüft, ob eine App-Idee überhaupt für CarPlay geeignet ist und entwickelt werden darf. Apple kann auch Apps ablehnen und würde dann kein Entitlement zuteilen.
Umfangreiches App-Angebot
Android-Nutzende können in den verschiedenen Kategorien aus ca. 250 Apps auswählen, für iOS-Nutzende ist die Anzahl geringer. In die Kategorie Communication (iOS) / Messaging Apps (Android) fallen beispielsweise Apps wie Whatsapp, um während der Fahrt mit Familie und Freunden zu chatten. Neue Nachrichten werden per Spracheingabe verfasst und empfangene Nachrichten liest das System vor (iOS: Siri; Android: Google Assistant). Parkplätze, Tankstellen und E-Ladesäulen liefern bei Android die Apps der Kategorie „Point of Interest“ und bei iOS die Apps der Kategorien „Parking“, „Fueling“ sowie „Electric Vehicle Charging“. Auch für Unterhaltung ist gesorgt: Die Kategorie Audio (iOS) / Media Apps (Android) bietet Apps für Musik und Hörbücher wie beispielsweise Spotify. In den jeweiligen App-Stores ist das vollständige Angebot der Auto-Apps einsehbar.
Meist stehen zusätzlich zu den CarPlay bzw. Android-Auto-Applikationen auch noch die Applikationen des Auto-Betriebssystems zur Verfügung, wie z. B. die autoeigene Navigation. Zur Interaktion mit dem System gibt es je nach App Funktionen wie Sprachsteuerung, Touch-Screen sowie Knöpfe und Bedienelemente der Kommunikationsanlage des Autos.
Das bringt die Zukunft
Apple plant ein Redesign von CarPlay. Über den Veröffentlichungszeitpunkt wird in der Branche bislang noch spekuliert. Die größte Änderung wird sein, dass CarPlay nicht wie bisher nur auf den Infotainment-Bildschirm, sondern auf alle verfügbaren Bildschirme im Auto zugreifen kann. Außerdem möchte Apple auch das Head-up-Display übernehmen, über das z. B. die Geschwindigkeit und die verbleibende Reichweite angezeigt wird. Gerade neuere Auto-Modelle werden mit immer mehr Bildschirmen ausgestattet. Darüber hinaus plant Apple, auch Geräte wie die Klimaanlage, das Radio und die Sitzheizung über CarPlay zu steuern. Wie konkret das Ganze aussieht, werden Nutzende wahrscheinlich nicht vor 2024 erfahren.
Auch Google hat mit Google Android Automotive die nächste Generation seines Infotainment-Systems auf den Markt gebracht, das sogar noch deutlich weiter geht. Jan Goclik erläutert:
„Android Automotive macht das Google-Ökosystem mit einer neuen Bedienoberfläche im Fahrzeug verfügbar. Das Smartphone wird hierfür nicht benötigt, denn die Software wird bereits im Fahrzeug integriert sein.“
Während Autohersteller wie Volvo, Fiat, Ford, Renault, Nissan und General Motors künftig auf Android Automotive setzen, wollen VW, BMW und Mercedes-Benz weiterhin ihre eigenen Infotainment-Betriebssysteme verwenden.
Es bleibt spannend zu schauen, welche Technologien sich am Markt wie intensiv durchsetzen werden. Als Experte für App-Entwicklung realisiert Materna Cross-Plattform-Apps, native Apps für iOS und Android genauso wie Web-basierte Apps und begleitet Kunden von der Anforderungsanalyse über Konzeption, Design und Entwicklung bis zum Betrieb. Mit der WarnApp NINA und der SafeVac App 2.0 des Paul-Ehrlich-Instituts sind beispielsweise hochfrequentierte Apps unter Federführung von Materna entstanden.
Auto-App Prototyp für E-Autos
Materna hat in einem internen Projekt einen ersten App-Prototypen für das Laden von Elektroautos entwickelt. Das Hauptelement des Prototypen ist eine Karte, auf der Autofahrer:innen E-Ladesäulen in der Nähe angezeigt bekommen. Zusätzlich werden ihnen wichtige Informationen zur E-Ladesäule angezeigt, wie z. B. Leistung, Steckertyp, Bezahlungsoptionen und ob sie belegt oder frei ist. Über die Anbindung an Google Maps und Apple Maps können sich Autofahrer:innen direkt zur ausgewählten E-Ladesäule navigieren lassen.