Interview mit Klaus Bürg von AWS
„Die Einführung von Cloud Computing ist Chefsache“, sagt Klaus Bürg. Er ist General Manager AWS DACH. Im Interview erzählt der AWS Manager, dass es nicht immer möglich ist, bei großen Migrationen jede Applikation in die Cloud zu migrieren. Eine wichtige strategische Komponente des Konzerns ist die AWS Partner Community, zu der auch Materna gehört.
Mut zur Lücke auf dem Weg in die Cloud
In den vergangenen Jahren galten deutsche IT-Entscheider als wenig Cloud-affin. Hat sich diese Haltung gedreht und wie genau?
Klaus Bürg: Seit wir im Oktober 2014 die AWS Cloud nach Deutschland geholt haben und unsere Region in Frankfurt eröffneten, haben wir einen stetig wachsenden Trend gesehen, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Segmenten mehr und mehr Cloud Computing einsetzen. Bekannte Namen unter unseren mehreren zehntausend deutschen AWS-Kunden sind zum Beispiel Siemens, BMW, Volkswagen, Adidas, Continental, Deutsche Bahn, Talanx, Deutsche Börse, Solarisbank, TUI, Kärcher, SKF, Axel Springer, Delivery Hero, Zalando, Flixbus, Ritter Sport, tipico, DFL, Otto, um nur einige zu nennen.
Der Grund, warum hier die unterschiedlichsten Unternehmen auftauchen, ist einfach: Unser Portfolio an Services (wir haben mittlerweile mehr als 200 Cloud Computing Services) ist modular aufgebaut. Man kann sich das wie Bausteine vorstellen, aus denen man die verschiedensten Architekturen erstellen kann, die Unternehmen in den unterschiedlichen Geschäftsfeldern helfen. Der Druck auf die IT-Abteilungen aus dem Business sowie die Fragen nach mehr Innovation, gesteigerter Agilität, mehr Sicherheit und Kostenreduzierung wurden in den letzten Jahren immer stärker. Da liegt es nahe, dass sich IT-Entscheider für AWS entscheiden, um bestehende Applikationen bis hin zu gesamten Rechenzentren auf AWS zu migrieren und neue Projekte auf AWS umsetzen.
Das geht von Predictive Maintenance wie beim Kunden Woodward, dem Materna bei der Einführung dieser Lösung geholfen hat, bis zu High Performance Computing beim Kunden Indivumed GmbH. Das ist ein mittelständisches deutsches Unternehmen aus der Krebsforschung, das nun unter Einsatz von AWS die Gewebeproben-Analyse von 2.400 Gewebeproben auf 10.000 Gewebeproben pro Jahr steigern konnte und dabei eine 50-prozentige Kostenreduktion erreicht hat. Volkswagen AG setzt auf AWS, um die Volkswagen Industrial Cloud aufzubauen. Die soll perspektivisch den globalen Produktionsverbund des Volkswagen-Konzerns mit seinen 122 Fertigungsstätten vernetzen. Durch die Migration von SAP auf AWS hat Zalando den Zeitbedarf für IT-Management um mehr als 30 Prozent reduziert, spart Kosten von 30 Prozent und konnte den Wert der SAP-Systeme durch die Integration von SAP in AWS-Technologien steigern, da Zalando jetzt das Geschäft in nahezu Echtzeit steuern kann.
„Es liegt nahe, dass sich IT-Entscheider für AWS entscheiden, um bestehende Applikationen bis hin zu gesamten Rechenzentren auf AWS zu migrieren und neue Projekte auf AWS umsetzen.“
Auch aus dem öffentlichen Sektor gibt es schöne Beispiele wie die 58. Ausgabe von „Jugend Musiziert“ in Baden-Württemberg im Jahr 2021. Die Herausforderung war: Wie können Kinder und Jugendliche aus dem gesamten Bundesland ortsunabhängig, Corona-konform und sicher ihr musikalisches Talent präsentieren? Die entsprechende Lösung, eine digitale Plattform, entwickelte einer unserer Partner aus dem AWS Partner Network. Die Plattform basiert auf innovativer Serverless Technologie und wurde unter Berücksichtigung strenger Datensicherheitsvorgaben realisiert. Im Rahmen des Wettbewerbs steigerten sich die Besucherzahlen auf dem Webangebot des Landesmusikrats Baden-Württemberg um fast das zehnfache auf mehrere tausend Besucher pro Tag. Die verwendete Architektur konnte diesen Anstieg automatisch ohne Probleme bewältigen.
Wie stellt sich hier insbesondere der Mittelstand auf? Wie vorbereitet ist der Mittelstand in Sachen Cloud-Strategie?
Klaus Bürg: Wir sehen in den letzten beiden Jahren ein kontinuierlich steigendes Momentum für die Digitalisierung in vielen Bereichen des Mittelstands. Viele Unternehmen verstehen mittlerweile den Mehrwert, den eine Cloud- oder auch Hybrid-Strategie gerade in den Bereichen Innovationsgeschwindigkeit, Agilität und Sicherheit für sie bringt. Es fehlen allerdings vermehrt Fachkräfte und IT-Partner, die die zunehmende Nachfrage bedienen können. Um diesem sogenannten Skills Gap in Deutschland zu begegnen, haben wir unter anderem AWS re/Start in Deutschland ins Leben gerufen. AWS re/Start ist ein Vollzeittrainingsprogramm für die Kompetenzentwicklung auf Basis von Präsenzkursen, das seine Teilnehmer auf Karrieren in der Cloud vorbereitet und sie mit potenziellen Arbeitgebern in Kontakt bringt. Für die Bewerbung sind keine technischen Vorkenntnisse erforderlich. Das Programm richtet sich an Arbeitssuchende, Unterbeschäftigte und junge Menschen, die Interesse an einer Karriere im Bereich Cloud Computing haben.
Welche Herausforderungen kommen auf die Unternehmen zu, die den Schritt in die Cloud endlich forcieren wollen?
Klaus Bürg: Unabhängig von der Größe eines Unternehmens, sehen wir hier fast immer das gleiche Muster: Die größten Herausforderungen, die die Einführung von Cloud Computing mit sich bringt, sind nicht technischer, sondern eher kultureller und organisatorischer Natur. Die Einführung von Cloud Computing wird oft mit gesteigerter Innovationskraft gleichgesetzt – womit man sich auf dem Markt gut präsentieren kann. Mehr und mehr Unternehmen sprechen gern öffentlich über Cloud Computing.
Wir haben auch in Deutschland festgestellt, dass es ein paar wichtige Erfolgsfaktoren gibt, die Unternehmen auszeichnet, die Cloud Computing im großen Stil erfolgreich einführen. Erstens: Die Einführung von Cloud Computing ist Chefsache. Das Top-Management muss dahinterstehen und das klar und wiederholt in die Organisation kommunizieren. Zweitens: Das Management muss sehr ambitionierte Ziele vorgeben, die ihre Organisation wachrütteln. Die Einführung von Cloud Computing kann nicht „Business as usual“ sein. Die Organisation muss sich gezielt neu ausrichten, um diese Ziele zu erreichen. Darüber hinaus muss das Unternehmen ganz bewusst die Organisation für Cloud Computing schulen – einerseits technisch, aber auch wie neue Prozesse innerhalb des Unternehmens funktionieren. Zu guter Letzt sollten Unternehmen einen gewissen „Mut zur Lücke“ mitbringen. Es ist nicht immer möglich, bei großen Migrationen jede letzte Applikation in die Cloud zu migrieren. So ein Detail darf dann nicht die gesamte Cloud-Strategie in Frage stellen oder die Migration lähmen.
Wir arbeiten intensiv mit Kunden zusammen und beraten bei diesen Herausforderungen. Eine wichtige strategische Komponente ist unsere AWS Partner Community. Wir haben eine Vielzahl von Partnern, die in Sachen Cloud erfahren sind und unsere Kunden umfänglich in der Konzeptionsphase, Einführung und im laufenden Betrieb unterstützen können.
„Um dem sogenannten Skills Gap in Deutschland zu begegnen, haben wir unter anderem AWS re/Start in Deutschland ins Leben gerufen.“
Wie kann AWS den Unternehmen helfen, sich besser in der Wolke zurechtzufinden?
Klaus Bürg: Wir arbeiten eng mit Kunden zusammen und helfen Unternehmen zu verstehen, wie sie AWS Services für ihre Geschäftszwecke einsetzen können. Das geht oft über technische Fragestellungen hinaus, zum Beispiel wenn wir Einblicke in unsere eigenen Innovationsprozesse bei Amazon geben, um diese auch anderen Unternehmen zugänglich zu machen. Ein gutes Beispiel ist die „Working Backwards“-Methodik, wo wir vom Endkunden des Unternehmens sozusagen „rückwärts“ arbeiten, um genau zu verstehen, was der Nutzen für den Endkunden ist. Daraus können Unternehmen die verschiedensten Schlussfolgerungen ziehen. Ein wichtiger Beitrag, den wir für unsere Kunden leisten, ist das strukturierte Arbeiten mit unseren Partnern. Wir arbeiten intensiv mit einer Vielzahl von Beratungshäusern, Systemintegratoren und Managed Service Providern wie zum Beispiel Materna zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Kunden mit den diversen Anforderungen für den jeweiligen Bedarf den am besten passenden Partner finden können.
Wie können sich Kunden speziell darauf vorbereiten, Applikationen künftig in containerisierter Form zu beziehen?
Klaus Bürg: Es gibt eine Vielzahl verschiedener Anwendungen, die sich für die Containerisierung eignen. Beispiele sind unter anderem Microservices, die Batch-Verarbeitung von Daten, die Skalierung von Machine Learning-Modellen und die Migration von bestehenden Workloads in die Cloud. Mit Services wie Amazon ECS Anywhere und Amazon EKS Anywhere bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, hybride Szenarien abzudecken. Dies ermöglicht es, die gleichen Prozesse für das Deployment von Anwendungen sowohl in der Cloud als auch On-Premises einzusetzen. Bei AWS gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Container-Orchestrierung: Zum einen Amazon ECS, eine „AWS-opinionated“ Lösung für den Betrieb von Containern, die durch Einfachheit für Kunden besticht, und zum anderen Amazon EKS, ein verwalteter Kubernetes-Service, der die Flexibilität des kompletten Kubernetes-Ökosystems bietet.
AWS und Materna forcieren ihre Partnerschaft. Was zeichnet die Partnerschaft aus Ihrer Sicht aus? Wie arbeiten AWS und Materna bei der Journey2CloudTM zusammen?
Klaus Bürg: Seit vielen Jahren arbeiten wir bereits erfolgreich mit dem AWS Advanced Services Partner Materna zusammen. Dabei ist Materna ein zuverlässiger strategischer Partner und Reseller, der seine Kunden aus dem Enterprise-Segment, Mittelstand und dem öffentlichen Sektor begleitet, Applikationen und Workloads auf und in der AWS Cloud zu entwickeln, zu integrieren, zu migrieren, Architekturen zu erstellen und zu managen.
Materna hat die eigenen AWS-Angebote und fachlichen Kompetenzen konsequent ausgebaut, damit unsere gemeinsamen Kunden von agilen Vorgehensweisen und skalierbarer Infrastruktur profitieren können. Die Zusammenarbeit mit Materna im Journey2Cloud™-Portfolio, das verschiedene Dienstleistungsmodule in den Bereichen Beratung, Cloud Enablement & Migration sowie Betrieb & Support beinhaltet, ist dabei ein besonderer Fokus. Hier arbeiten die verschiedenen Materna- und AWS-Teams in der Erstellung von gemeinsamen Offerings eng zusammen, um unsere Kunden in ihren Digitalisierungsvorhaben an der richtigen Stelle zu unterstützen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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