Enterprise Service Management
Ene, mene, muh und raus bist du – oder doch nicht? Die Suche nach der passenden Enterprise Service Management-Lösung, die auch den Customer Service optimal abdeckt, ist häufig wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Es gibt unzählige Anbieter und auch die Funktionalitäten der ESM-Suiten sind scheinbar schier unbegrenzt. Wie es Ihnen gelingt, herstellerneutral eine passgenaue Lösung zu finden, verrät unser Beitrag.
Herstellerneutrale Tool -Auswahl für den Customer Service
Der perfekte Zeitpunkt für einen Wechsel
Wenn zwischen dem ersten Kundenkontakt und der finalen Bearbeitung eines Tickets zahlreiche Schnittstellen, Bearbeiter:innen und Silo-Lösungen liegen, ist es an der Zeit, die eigenen Prozesse und die Systemlandschaft zu prüfen. Häufig führt dieser Zustand nämlich dazu, dass die Effizienz sinkt, Kund:innen lang warten müssen und letztlich nicht erkennbar ist, welche Mitarbeiter:innen welche Tickets bearbeiten.
Darüber hinaus ergeben sich in vielen Unternehmen weitere Herausforderungen:
- Unterschiedliche Software-Lösungen für einzelne Prozessschritte
- Keine vollständige Abbildung aller Prozesse und Schnittstellen
- Redundante Daten in unterschiedlichen Systemen
- Fehlender Überblick über den Bearbeitungsstatus
- Keine Möglichkeit für horizontale Ticket-Verschiebungen beispielsweise zwischen verschiedenen Teams, Abteilungen bzw. Systemen
- Sinkende KPIs der Lösungsquote und -zeit
- Abnehmende Kundenzufriedenheit
Durch diese Defragmentierung im Rahmen des Customer Services wird es immer schwieriger, die parallel aufkommenden Herausforderungen zu meistern: absolute Datentransparenz, schnelle (digitale) Services, rasche Lösungen sowie eine starke Kundenbindung im stets wachsenden Wettbewerb.
Von der Defragmentierung hin zu mehr Ordnung
Enterprise Service Management managt zentriert verschiedene einzelne Software-Silos und verknüpft lose Prozesse miteinander.
Stellen Sie sich das Enterprise Service Management wie einen Koffer vor, den Sie für den Urlaub packen. Wie bei jedem Urlaub, stehen Sie vor Ihrem Schrank und wählen die passenden Reise-Utensilien aus: von der Zahnbürste über Kleidung bis zu Schuhen und Accessoires. Alle Gegenstände liegen lose verteilt vor dem Koffer und passen auf den ersten Blick nicht ganz zusammen, obwohl Sie selbst bereits die perfekte Kombination im Kopf haben.
In diesem Beispiel stehen die Kleidungsstücke stellvertretend für die einzelnen Software-Lösungen und Prozesse, die in ihrer Kombination Sinn ergeben, jedoch aktuell noch lose verstreut nicht den richtigen Nutzen erfüllen. Im nächsten Schritt wird alles sortiert und nach den eigenen Bedürfnissen in den Koffer gepackt. Der Koffer beherbergt alle Utensilien, die jetzt nicht mehr lose verstreut sind, und ermöglicht es, bedarfsgerecht die gewünschten Teile zu greifen, zu kombinieren und zu nutzen.
Die entscheidende Frage ist, welche Enterprise Service Management-Lösung deckt Ihre Prozesse und Bedürfnisse bestmöglich ab? Mit Blick auf den Customer Service gibt es mehr als 100 verschiedene Hersteller mit einem vielseitigen Repertoire an Funktionen. Mit einem gezielten Vorgehen in fünf Schritten lässt sich die Menge potenzieller Anbieter systematisch eingrenzen.
In fünf Schritten zum richtigen Tool
Der erste wichtige Schritt ist es, das Ziel zu kennen, dass ein Unternehmen durch den Einsatz eines ESM-Tools inklusive einer Abbildung des Customer Services erreichen möchte. Um dieses Ziel zu definieren, wird zunächst ein Gesamtüberblick zu den bestehenden Prozessen, Rahmenbedingungen sowie daran geknüpfte Schnittstellen inklusive der bestehenden Software-Lösungen erstellt. Beantworten Sie auch die Frage, ob Abteilungen und Schnittstellen in dem aktuellen Gesamtüberblick fehlen und künftig noch integriert werden sollen. Auch die Anforderungen und bewussten Optimierungspotenziale gehören in den Gesamtüberblick.
Ausgehend von diesem Gesamtüberblick ist es möglich, die zu erreichenden Ziele genau abzustecken und ein Zielbild zu definieren. Typische Anforderungen, die sich zum Zielbild vereinen, sind zum Beispiel:
- Server-Standorte innerhalb von Deutschland, mindestens aber in der EU, um den Datenschutz DSGVO-konform abzudecken
- Aufbau des Lizenzmodells und die Bereitstellungsart der Software als Software-as-a-Service oder als On -Premise-Lösung
- Abbildung aller bestehenden Prozesse
- Einfache Bedienbarkeit durch ein nutzerfreundliches User Interface
- Schrittweise geführte Customer Journey für Mitarbeiter:innen bei eingehenden Anfragen bzw. bei der Benutzung zur Verringerung von Fehlerquellen
- Funktion eines Systems als zentrale Datenbank für z. B. Kundenstammdaten oder auch Lagerstände
- Lösungsvorschläge aus dem Tool heraus oder Weiterleitungen an höheren Support Level
Dabei ist es wichtig, dass interne Prozesse im Customer Service als Basis übergreifend abgebildet werden, um damit auch Prozesse in Richtung Endkund:innen abzudecken. Die gesammelten Anforderungen werden dann in eine Matrix überführt.
„Wir nutzen eine flexible Matrix aus über 150 verschiedenen Anforderungen. Wir ergänzen sie im Rahmen der Zusammenarbeit jeweils um individuelle Anforderungen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Art und Weise, wie wir mit Kunden zusammenarbeiten. Das bedeutet, wir geben nicht einfach etwas vor. Wir erarbeiten die Matrix, um so individuell wie möglich auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen zu können“,
berichtet Jana Gehrmann, Business Consultant bei Materna.
Raum für unerwartete Anforderungen
Nicht jede Anforderung ist auf den ersten Blick zielführend. Jedoch hängen genau diese Anforderungen häufig mit bestehenden Prozessen zusammen, die nicht umgedacht oder geändert werden sollen. Zu unerwarteten Anforderungen gehören zum Beispiel auch bewusste Entscheidungen, bestimmte Tools als ESM-Lösung einzusetzen, die ursprünglich gar nicht für diesen Einsatz gedacht sind. Andere Anforderungen beziehen sich darauf, dass Software-Lösungen als Frontend eingesetzt werden sollen, die eigentlich als Datenquelle und nicht als Arbeitsoberfläche dienen.
Die Frage ist immer, wie mit solchen Anforderungen umgegangen wird. Sie pauschal abzulehnen geht in die falsche Richtung, da die jeweilige Lösung auch individuell zu dem entsprechenden Unternehmen passen muss. Für eine herstellerneutrale Tool-Auswahl ist es wichtig, die Gründe für alle Anforderungen zu kennen.
„Häufig sind es unternehmenspolitische Gründe, die wir als Außenstehende gar nicht erfassen können. Hier müssen wir die Gründe herausfinden und beraten. In solchen Fällen nutzen wir die Matrix, um Alternativen und weitere Möglichkeiten aufzuzeigen“,
erklärt Maren Dittmann, Business Consultant bei Materna.
„Am Ende entscheidet der Kunde immer selbst – dann aber in dem Wissen, alle Alternativen und Möglichkeiten zu kennen.“
Außerdem hat die Matrix den Vorteil, dass sie allen Bedürfnissen der beteiligten Stakeholder gerecht wird. Werden die Muss-Kriterien erfüllt, sind damit bereits die technischen sowie die prozessseitigen Anforderungen abgedeckt. So ist es möglich, dass jeder Stakeholder für seine Abteilung mit dem gemeinsamen Tool auch seine eigenen internen Prozesse optimieren kann, ohne dabei im Widerspruch zu den Anforderungen anderer Abteilungen zu stehen.
Schritt zwei: Kriterien bewerten – nicht alles hat Prio A
Nicht alle Anforderung im Gesamtüberblick sind gleich wichtig. Die Matrix unterteilt die jeweiligen Anforderungen in verschiedene Kategorien: Ja/Nein (zum Beispiel Server-Standort in Deutschland) oder Muss/Soll/Kann (zum Beispiel die Anbindung an verschiedene Schnittstellen). Anhand der bestehenden Muss-Kriterien ist es möglich, eine erste Shortlist mit Anbietern zu erstellen, die genau diese Kriterien erfüllen. Dadurch reduziert sich die Anzahl der ESM-Hersteller, die auch den Customer Service fokussieren, auf eine erste dedizierte, passende Auswahl. Die bestehende Auswahl gewährleistet dann, dass alle Lösungen – egal welche am Ende gewählt wird – die Mindestanforderungen erfüllen.
Schritt drei: Erweiterte Anforderungen betrachten
Neben den Muss-Kriterien zählen ebenfalls die Soll- und Kann-Kriterien, um eine passende Lösung zu finden. In dem zweiten Bewertungsschritt werden diese Kriterien mit der dedizierten Auswahl an Herstellern abgeglichen. Am Ende bleibt oftmals nur eine Shortlist aus wenigen Herstellern übrig. Ein weiterer Vorteil der Shortlist ist, dass sie gleichzeitig auch ein formales Lastenheft mit einem Überblick über die verschiedenen Funktionen der auf der Shortlist befindlichen Lösungen liefert.
Schritt vier: Finale Bewertung der Shortlist
Das Ergebnis sind wenige Anbieter für eine Lösung, die mindestens zu 80 Prozent die Anforderungen an ein Enterprise Service Management erfüllen und dabei insbesondere die Customer Service-Prozesse abdecken. Diese Anbieter sowie ihre Anforderungserfüllung werden einem finalen Ranking anhand der individuellen Kriterien der eigenen Matrix unterzogen. Unternehmen müssen sich immer dessen bewusst sein, dass es keine 100-prozentige Lösung geben wird. Die eigenen unternehmensinternen Prozesse und Schnittstellen sind mit der Zeit so individuell gewachsen, dass sie nicht in Gänze perfekt abgedeckt werden. Durch die bereits erwähnte Erfüllung von Muss- und Soll-Kriterien sind allerdings in der Regel 80 Prozent der perfekten Lösung bereits erreicht. Die weiteren 20 Prozent liegen innerhalb der Kann-Anforderungen und sind nicht essentiell, um reibungslose Prozesse zu ermöglichen. Um von Beginn an die Akzeptanz bei allen Beteiligten zu erhöhen, verprobt Materna oftmals die User Experience der Shortlist-Tools innerhalb eines Workshops.
Hierzu ergänzt Jana Gehrmann:
„In dieser Phase handhaben wir es so, dass unser Kunde einen Use Case vorgibt, der so viele Anforderungen wie möglich abdeckt. Diesen Use Case geben wir dann an die „Top 2“ der ausgewählten Anbieter für die Erstellung einer Demo. Im Rahmen eines Workshops können dann die betreffenden Stakeholder bzw. ihre Mitarbeiter:innen das Szenario und damit auch die User Experience testen. So ebnen wir den Weg für die finale Lösung.“
Schritt fünf: Erstellung des formalen Pflichtenheftes
Im finalen Schritt wird ein formales Pflichtenheft für die ausgewählte Enterprise Service Management-Lösung erstellt. Dieses dient einerseits als Grundlage für die Erarbeitung einer entsprechenden Implementierungs-Roadmap, um die Enterprise Service Management-Lösung ins Unternehmen einzuführen, und andererseits als Ausschreibungsvorlage.
So gelingt die herstellerneutrale Auswahl
Häufig stellt sich die Frage, ob bei der Recherche nach geeigneten Lösungen eine Herstellerneutralität gewahrt werden kann. Schließlich erkundigt man sich, liest Rezensionen und Referenzen, spricht für die Klärung offener Fragen bereits mit einigen Anbietern. Die ersten Präferenzen entstehen.
Neutralität kann dennoch gewahrt werden. Maren Dittmann:
„Wir selbst haben ebenfalls zu vielen Anbietern von Enterprise Service Management-Lösungen Kontakt, das ist richtig. Doch bei so vielen Anbietern mit einem so vielfältigen Angebot – auch mit Blick auf die Integration der Customer Service-Prozesse – ist es schwierig, einen Favoriten herauszunehmen. Zudem arbeiten wir von Beginn an mit einer Matrix aus objektiven Kriterien, die wir anhand von Fakten bewerten. Da gibt es keinen Raum für persönliche Favoriten.“
Change-Kommunikation als entscheidender Faktor
Wichtig für die Einführung eines neuen Werkzeugs ist die Change-Kommunikation innerhalb eines solchen Projektes. Diese darf nicht erst starten, wenn die Auswahl für eine Enterprise Service Management-Lösung getroffen wurde. Sinnvoller ist es, alle Mitarbeiter:innen direkt von Beginn an mit einzubeziehen. Dadurch sichern Sie das gesamte Gelingen eines Projektes.
Vier Tipps