Studie: Einführung der E-Akte in der Justiz
Der Gesetzgeber sieht vor, dass deutsche Gerichte ihre Gerichtsakten spätestens ab dem 1. Januar 2026 elektronisch führen. Eine aktuelle Umfrage liefert einen tiefreichenden Einblick in die Erwartungen und Einschätzungen von Richterinnen, Richtern und Servicekräften an deutschen Landgerichten in Bezug auf die Nutzung elektronischer Akten gegenüber klassischen Papierakten. Befragt wurden sowohl Gerichte, die die elektronische Gerichtsakte bereits erproben (Pilotgerichte), als auch Gerichte, die noch nicht mit elektronischen Akten arbeiten (Nicht-Pilotgerichte).
E-Akte in der Justiz
Kooperationspartner der Studie sind der Lehrstuhl für Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen und Materna. Der Deutsche Richterbund (DRB) hat das Vorhaben unterstützt.
Die Befragten sehen im Ausbau der E-Akte die Zukunft und bescheinigen einen hohen Nutzwert bei der elektronischen Aktenführung, sehen jedoch noch Verbesserungspotenzial insbesondere bei der Integration. Deutschlandweit werden in den Justizbehörden zahlreiche unterschiedliche Anwendungen und Fachverfahren eingesetzt, die unterschiedliche Integrationsszenarien zu den bereits eingesetzten E-Akte-Systemen herbeigeführt haben.
Aus jedem Bundesland haben Landgerichte an der Befragung teilgenommen. Ihre Erwartungen, Erfahrungen und Bewertungen in Bezug auf die Ablösung der klassischen Papierakte gegenüber der elektronischen Aktenführung spiegeln sich in den Ergebnissen wider. Thematisiert wurden unter anderem die Vorteile und Leistungsfähigkeit, Bedenken und Erfolgsfaktoren, der Vergleich zwischen E-Akte und Papierakte sowie die Zusammenarbeit mit anderen Personen.
Video-Interview
Zusammenfassung der Ergebnisse
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Anwender in Pilotgerichten sind von der Zukunft der E-Akte überzeugt.
Die Studie belegt eine klare Tendenz zum Ausbau der E-Akte. Der Aussage, dass die E-Akte die Zukunft sei, stimmen zwischen 71 und 81 Prozent je nach Befragtengruppe zu. -
Anwender in Pilotgerichten bewerten den Nutzen der E-Akte als hoch.
Etwa jeder zweite Anwender in Pilotgerichten bewertet den Nutzen der E-Akte als hoch oder eher hoch. Diese Bewertung ist bei Servicekräften stärker ausgeprägt als bei Richtern. -
Das Interesse an der E-Akte ist besonders ausgeprägt bei den befragten Anwendern in den Pilotgerichten.
Besonders unter den Anwendern in den Pilotgerichten besteht ein ausgeprägtes persönliches Interesse an der E-Akte. Bei drei von vier Richtern und neun von zehn Servicekräften ist dieses sehr hoch oder eher hoch. Bei Personen, die noch nicht damit gearbeitet haben, berichtet jeder zweite Richter hiervon. Zugleich geben fast zwei Drittel aus dieser Gruppe an, die Entwicklungen mehr oder weniger auf sich zukommen zu lassen. -
Anwender haben weniger Probleme, als Nicht-Anwender erwarten.
Bei vielen Aspekten liegt der Anteil der Befragten in den Pilotgerichten, die Probleme erfahren haben, deutlich geringer als die Erwartungen von Nicht-Anwendern. Gleichwohl berichten auch Anwender von Problemen. Besonders kritisch werden Arbeitseinschränkungen durch technische Probleme sowie durch Updates, ein fehlendes haptisches Erlebnis und eine vorzeitige Ermüdung gesehen. -
Nicht-Anwender sind skeptischer als Anwender.
Unter den befragten Richtern, die noch nicht mit elektronischen Gerichtsakten arbeiten, stimmt mehr als jeder Dritte zu, dass eine Beibehaltung der Papierakte sinnvoll sei. Aber auch bei Richtern, die die E-Akte bereits nutzen, stimmt fast jeder vierte der Aussage, eine Rückkehr zur Papierakte sei sinnvoll, voll und ganz oder eher zu. Umgekehrt halten mehr als drei Viertel der Servicekräfte und mehr als zwei Drittel der Richter eine Rückkehr zur Papierakte für nicht sinnvoll. -
Die E-Akte führt zu neuen Abläufen in der Zusammenarbeit.
Viele Richter und Servicekräfte berichten von neuen Abläufen, die sich zwischen ihnen erst noch einspielen müssen. Auffällig ist, dass deutlich mehr Richter davon berichten, dass sie Aufgaben übernehmen, die bisher Servicekräfte erledigten, als umgekehrt. -
Das Wissen der Nichtanwender ist eher gering.
Mehr als jeder zweite Richter stuft seinen allgemeinen Wissensstand als sehr gering oder eher gering ein. In allen Gruppen werden die Informationen aus dem eigenen Gericht am häufigsten genutzt, um das eigene Wissen auszubauen. -
Manche Erwartungen erfüllen sich bisher nicht.
Die hohen Erwartungen in Nicht-Pilotgerichten erfüllen sich auch in der Praxis nicht in allen Fällen. Auch bei Anwendern der E-Akte bleiben einige Erwartungen unerfüllt, beispielsweise beim Durchsuchen und bei der Durchdringung der E-Akte, das heißt, wie sich die Inhalte elektronischer Akten technisch erschließen lassen. -
Es gibt nur wenige Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Richterinnen und Richter haben sehr ähnliche Sichtweisen. Kleinere Unterschiede sind feststellbar: Ein größerer Teil der Frauen ist bereits sehr sicher im Umgang mit der E-Akte, ein größerer Anteil an Männern möchte das vorhandene Potenzial noch weiter ausschöpfen. -
Die Altersgruppen haben unterschiedliche Wahrnehmungen.
Bei den Richtern bestehen bei einigen Aspekten deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung. Es lässt sich feststellen, dass ein höherer Anteil jüngerer Richter die E-Akte akzeptiert, sich seltener überfordert fühlt und auch deutlich seltener die Haptik der Papier-E-Akte vermisst.
E-Akte-Einführung in der Justiz