Onboarding
Mitarbeiter*innen sind das Kapital einer Organisation. Wer neu an Bord kommt, muss erfolgreich eingearbeitet werden. Wandert die Büroarbeit zunehmend ins Homeoffice, wird es sogar noch wichtiger, neue Kolleg*innen von Anfang an erfolgreich ins Team und in die gesamte Organisation zu integrieren. Wir haben mit Ariane Hecker, Mediendidaktikerin bei Materna TMT, gesprochen. Sie erläutert, wie erfolgreiches Onboarding gelingt und welche Rolle dabei moderne Kommunikationskanäle und emotionale Medien spielen.
Erfolgsfaktor Onboarding
Onboarding ist ein vielfältiger Begriff. Wie definieren Sie ihn?
Wir verstehen Onboarding vor allem als willkommen heißen.
Die Bindung des neuen Mitarbeitenden an das Unternehmen oder die Organisation wird so früh wie möglich begonnen. Das kann auch beinhalten, dass wir neue Mitarbeitende schon vor ihrem ersten Arbeitstag, also z. B. zur Vertragsunterzeichnung, mit Informationen versorgen und sie positiv in ihrer Entscheidung für die neue Position bestärken. Neben organisatorischen Informationen, z. B. zum Parken oder zum ersten Arbeitstag, können Unternehmen Botschaften zur Unternehmenskultur und dem Umgang miteinander im Unternehmen vermitteln. Es geht also nicht nur um Wissensvermittlung oder Schulung, sondern auch um eine emotionale Einstimmung auf die neue Organisation.
Was sind die besonderen Herausforderungen des Onboardings, wenn Mitarbeiter*innen im Homeoffice arbeiten?
Wissenstransfer ist immer ein Thema in eher dezentral aufgestellten Organisationsstrukturen. Homeoffice ist da einfach eine Arbeitsform, die noch mehr aktive Organisation der Kommunikation erfordert. Zudem erfordert kooperatives Arbeiten Vernetzung und bereichsübergreifende Kontakte in der Organisation. Im Onboarding kann ich das vorab für die neuen Mitarbeitenden auffangen, indem ich z. B. Videobotschaften wichtiger Ansprechpartner*innen oder Führungspersonen einbinde, die verdeutlichen, wie erfolgreiche, aktive Kommunikation aussieht. So kann ich dem neuen Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht geben. Auch die zukünftigen Kolleg*innen können sich vorstellen und aktiv Kontakt aufnehmen. Kommunikative Hürden können so gesenkt werden, um Kolleg*innen einfach mal anzurufen, wenn Fragen auftauchen.
Wie können sich Organisationen diesem Thema erfolgreich nähern?
Wie in allen Projekten ist es wichtig, dass wir uns genau anschauen, was gebraucht wird, wie die Zielgruppe aussieht und was vielleicht schon vorhanden ist und erfolgreich genutzt wird. Gute Onboarding-Programme sind nie Lösungen von der Stange, auch wenn es Inhalte gibt, die sich fast in jedem Onboarding finden wie z. B. Informationen zu Ansprechpartner*innen, Anfahrt, Kinderbetreuung oder der Kantine. Wichtig ist, dass es konkrete Mehrwerte für den Nutzer*innen gibt und das Onboarding keine Pflichtveranstaltung ist, die er lustlos durchklickt.
Aus welchen Inhalten setzt sich digitales Onboarding typischerweise zusammen?
Es gibt in der Tat Evergreen-Inhalte, die fast jede Organisation nutzen kann. Die gerade erwähnten Informationen zur beruflichen Grundversorgung gehören meist dazu. Überblicke über die technische Infrastruktur vom Intranet über VPN-Zugänge bis hin zu „Wo bekomme ich mein Dienst-Laptop“ ersparen Rückfragen in der Personal- oder IT-Abteilung. Sie helfen dabei, dass neue Mitarbeitende schnell produktiv arbeiten können.
Aber das ist für uns Pflichtprogramm. Die Kür besteht darin, die Nutzer auch emotional einzubinden
und eine hohe Identifikation mit der neuen Organisation zu erreichen. Videobotschaften, Interviews und Erfahrungsberichte anderer Neueinsteiger bieten Anknüpfungspunkte. Und auch profane Informationen zu eigenen Sport- und Gesundheitsangeboten verdeutlichen die Wertschätzung der Organisation gegenüber den Mitarbeitenden. Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden zu zeigen, das könnte man als Grundmotiv für die inhaltliche Ausgestaltung aller erfolgreichen Onboardings definieren.
Helfen Sie Organisationen dabei, passende Inhalte zu identifizieren und medial aufzubereiten?
Diese Inhalte zu identifizieren, ist unsere wichtigste Aufgabe in Onboarding-Projekten. Was macht die Organisation aus? Was macht sie besonders? Ansonsten kann man auch einfach die Unternehmenspräsentation online stellen und den Link aufs Intranet. Der Blick von außen mit dem Wissen über Mediendidaktik und -produktion ist wichtig, um ein Onboarding zu schaffen, das einen echten Mehrwert für die neuen Mitarbeitenden darstellt.
Wie genau gehen Sie bei Ihren Kunden vor, um ein passendes Konzept sowie geeignete Medien zu identifizieren und zu entwickeln?
Idealerweise starten wir mit einem Workshop, in dem wir uns alle möglichen vorhandenen Inhalte anschauen. Wir betrachten die Zielgruppe für das Onboarding, ihre Medienaffinität und die Altersstruktur. Alles was uns dabei hilft, die Inhalte passgenau auf die neuen Mitarbeitenden zuzuschneiden. Denn nur eine hohe Passgenauigkeit ermöglicht auch eine Identifikation mit der Organisation und ihrer Kultur.
Und wir definieren gemeinsam mit unseren Kunden, welche Ziele das Onboarding erreichen soll. Soll nur Wissen vermittelt werden oder sollen auch kulturelle Werte, Kommunikationsregeln und bereichsübergreifende Kooperationsformen ganz frühzeitig vermittelt werden? Nur wenn wir Ziele definieren, können wir später überprüfen, ob das Onboarding erfolgreich war.
Gerade die Aufbereitung emotionaler Medien wie Imagefilme und Testimonials ist herausfordernd. Was sollten Organisationen dabei berücksichtigen?
Es dreht sich alles um die Zielgruppe.
Ich muss es schaffen, eine Verbindung zu ihr herzustellen, Anknüpfungspunkte für den Rezipienten zu schaffen, damit er oder sie sich angesprochen, wahrgenommen und wertgeschätzt fühlt. Dafür muss ich mir genau anschauen, wer das Onboarding machen soll. Ist die Zielgruppe sehr heterogen, muss ich den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. Aber je genauer ich die Medien und Inhalte auf die Zielgruppe zuschneiden kann, desto größer wird die Verbindung sein, die ich herstelle.
Sie haben erst kürzlich für die Diözese Rottenburg-Stuttgart ein Onboarding-Konzept erarbeitet. Was waren hier die Besonderheiten?
Das Spannende an dem Projekt war, dass wir uns hier sehr von einem klassischen Onboarding entfernt haben. Die Nutzer sind rund 10.000 neu gewählte Kirchengemeinderäte, die alle ehrenamtlich für die Gemeinden tätig sind.
Von Anfang an war das Onboarding vor allem als emotionale Begrüßung und als Identifikationsmittel geplant. So entstanden Imagefilme zur Diözese allgemein und zum Rottenburger Modell speziell, das umfassende Mitbestimmungsrechte der Kirchengemeinderäte verankert und einzigartig in der katholischen Kirche ist.
Die Diözese vermittelt so ihre Werte einer modernen, offenen und engagierten Kirche. Es wurde auch viel Videomaterial mit Gemeindevertretern gedreht, in dem sie über ihre Erfahrungen, Herausforderungen und persönliche Motivation erzählen. Diese authentischen Statements bieten nicht nur Orientierung, sondern auch Inspiration und Motivation.
Es war geplant, dass das Onboarding Präsenzveranstaltungen inhaltlich ergänzt. Durch die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen ist die Lernwelt als zentrale Kommunikationsplattform mit dem Onboarding der primäre Informationskanal für alle Gemeindevertreter und -vertreterinnen geworden.
Können Sie noch einen Ausblick geben, wie sich Onboarding noch weiter entwickeln kann.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass dezentrales Arbeiten – auch im Homeoffice – gut funktionieren kann, wenn die Infrastruktur hierfür geschaffen wird. Zentraler Zugriff auf Informationen, schneller Informationstausch und flexible Kommunikationskanäle waren hier die ersten Schritte. Vernetzung und Kollaboration sind die nächsten Schritte und die sollten auch im Onboarding berücksichtigt werden.
Warum nicht alle „Neuen“ beim Onboarding direkt vernetzen? Hier ist die Hürde, mal eine „doofe“ Frage zu stellen, sicherlich niedriger. Außerdem baut man Kontakte bereichsübergreifend auf, die bei späteren Projekten genutzt werden können. Kollaboration, flexible Teams, das Auflösen von Wissenssilos sind Themen des New Work, die eine Organisation schon frühzeitig im Onboarding platzieren kann, sowohl mit technischen als auch mit inhaltlichen Lösungen.
Und: Onboarding kann schon in dem Moment beginnen, in dem der Arbeitsvertrag unterschrieben ist. Heißen Sie den neuen Kollegen oder die Kollegin sofort in seinem neuen Team willkommen und gehen Sie so sicher, dass er oder sie die Entscheidung nicht bereut.
Vielen Dank für das Interview.