Interview mit CEO Martin Wibbe
Materna feiert im Jahr 2020 ihr 40-jähriges Jubiläum. Der aktuelle CEO Martin Wibbe ist zwar erst seit kurzer Zeit an Bord, kennt das Unternehmen jedoch schon seit vielen Jahren. Im Interview spricht er über die einzigartige Firmenkultur und welche Freiheiten ein Familienunternehmen bietet.
We are Family
Bei der Gründung von Materna im Jahr 1980 gab es weder E-Mails noch Smartphones. Heute ist für viele Organisationen die digitale Kommunikation mit Kunden, Partnern und Mitarbeiter*innen über Kanäle und Plattformen hinweg schon beinahe ein zentraler Wettbewerbsfaktor. Bleibt bei all der Technik die persönliche Ansprache auf der Strecke?
Martin Wibbe: Für mich persönlich ist der direkte und persönliche Austausch mit Kunden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin das A und O. Natürlich hat sich seit den 1980er Jahren die Art und Weise, wie wir heute kommunizieren, dramatisch geändert, aber die neuen Technologien ersetzen keinesfalls die persönliche Interaktion. Kommunikation ist weiterhin der Schlüssel für erfolgreiche Beziehungen, privat und im Job. Erst durch gute Kommunikation entstehen Themen und Beziehungen zwischen Kunden, Partnern und Mitarbeiter*innen.
Sie sind seit April 2020 CEO der Materna-Gruppe und schon viele Jahre in der IT-Branche unterwegs. Wie haben Sie das Unternehmen in den vergangenen Jahren von außen wahrgenommen?
Martin Wibbe: Materna bin ich seit meinem Berufseinstieg im Jahr 2002 immer mal wieder als Wettbewerber begegnet, speziell in meiner Anfangszeit, als ich als Sales Assistant bei Siemens Business Services im Bereich öffentliche Auftraggeber angefangen habe. Und schon damals, wie auch heute, war Materna bei Themen der öffentlichen Verwaltung sehr stark. Bei weniger offiziellen Gesprächen sprachen dann die internen Kolleginnen und Kollegen ganz offen darüber, dass es sich kaum lohnt, bei einer Ausschreibung mitzumachen, wenn dort Materna ebenfalls anbietet. Warum? Materna wird gewinnen und so kam es dann in der Regel auch.
Ich habe es immer als sehr beeindruckend wahrgenommen, wie es die beiden Firmengründer dann über die Jahre geschafft haben, ein Familienunternehmen als Marke so stark zu prägen, dass es selbst gegen große IT-Konzerne antreten konnte und im Markt ständig gewachsen ist.
Ihre ersten 100 Tage bei Materna sind mitten in die Corona-Krise gefallen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Martin Wibbe: Zu Beginn des ersten Lockdowns war ich noch in der Übergangsphase zwischen meiner alten und neuen Aufgabe und so war mir die Größe der Herausforderung „Lockdown“ gar nicht so bewusst. Trotz der herausfordernden Situation habe ich mich wahnsinnig gefreut, am 1. April endlich zu starten, auch wenn zu diesem Zeitpunkt sehr viele Mitarbeiter*innen im Homeoffice saßen. Ich habe mein Büro am Firmensitz bezogen, war aber aufgrund meines vorherigen Jobs daran gewöhnt, remote mit Menschen innerhalb einer verteilten Organisation zu arbeiten. Standort- oder persönliche Kundenbesuche waren leider nicht möglich. Diese Zeit in der Anfangsphase habe ich intensiv genutzt und mich in die internen Abläufe eingearbeitet. So war der Start für mich eine sehr wertvolle Zeit, um das Unternehmen schnell kennenzulernen.
Welche Trends sehen Sie für die Zukunft und wie wird sich das Portfolio von Materna verändern?
Martin Wibbe: Angetrieben durch Innovationen verändern sich Märkte kontinuierlich. So werden Unternehmen künftig nicht mehr klassisch von „ihrem“ Portfolio sprechen, für das sie Abnehmer am Markt suchen. Stattdessen müssen sie sich am Marktbedarf orientieren und agil auf Wünsche der Kunden reagieren können. Auch wir müssen nahe am Markt bleiben und in Gesprächen mit Kunden herausfinden, welche Technologien und IT-Lösungen sie tatsächlich benötigen. Entsprechend richten wir ebenfalls unser Portfolio aus. Die Zyklen dieser Ausrichtung werden sich durch die Marktdynamik weiter verkürzen.
Ein Beispiel dafür ist das Thema Cloud. Gerade der Weg in die Cloud ist sehr individuell und jedes Unternehmen hat unterschiedliche Anforderungen und eine höchst unterschiedliche Ausgangssituation. Für uns als Berater und Dienstleister bedeutet dies, dass wir Kunden zuhören und dann helfen, die Reise in die Cloud gemeinsam und individuell zu entwickeln. Die konsequente Ausrichtung unseres Handelns in Richtung Kunde ist das zentrale Element der Geschäftsstrategie.
Wechseln wir das Thema: Welche Vorteile hat dies im Vergleich zu IT-Beratungsunternehmen, die einem Konzern oder einer Investorengruppe angehören?
Martin Wibbe: Wir sind unabhängig und können eigenständig agieren. Diese Freiheit ist ein Wettbewerbsvorteil, da wir schnell am Markt im Sinne unserer Kunden handeln können. Wir sind quasi unseres eigenen Glückes Schmied und haben nicht die Verpflichtung, Investoren quartalsweise Bericht erstatten zu müssen.
Der größte Pluspunkt sind unsere Familienwerte, die wir intensiv pflegen. Viele der sozialen Aktivitäten, die bei uns selbstverständlich sind, bieten große Konzerne ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eher selten an. Beispielsweise veranstalten wir regelmäßig Grill- und Sommerfeste sowie Weihnachts- und Jubilarfeiern. Es gibt Leistungen wie das Jobrad und verschiedenste Sportangebote. Unser soziales Engagement macht unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufriedener und ausgeglichener und es ist die Motivation vorhanden, für den Kunden die Extrameile zu gehen. Dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne für Materna arbeiten, ist ein wichtiges Asset, auf das wir sehr stolz sind. Die Gründer haben diese Unternehmenskultur über Jahrzehnte aufgebaut und ich verstehe es als meine Aufgabe, das Unternehmen auf Basis dieser Kultur weiterzuentwickeln.
Wer heute ein Start-up gründet, kann auf Business Angels und Venture Capital zurückgreifen und somit schnell starten. Was raten Sie jungen Unternehmern bei ihren ersten Schritten?
Martin Wibbe: Meine Erfahrung aus der Personalführung der vergangenen Jahre zeigt, dass die jüngere Generation zur Überagilität neigt. Da wird schnell gehandelt, um kurzfristige, persönliche Ziele zu realisieren. Ich erachte es als wichtig, bei all der Agilität und Kurzfristigkeit auch immer ein mittel- und langfristiges Ziel zu verfolgen. Auch für ein Start-up ist es essenziell, ein übergeordnetes und ambitioniertes Ziel zu haben. Das Wichtigste aber ist und das wäre mein Rat: Jungunternehmer sollten stets selbstreflektiert sein und bleiben, um zu erkennen, wo sie sich auf ihrem Weg zum Ziel befinden und wie sich dies auf sie selbst und andere in ihrem Umfeld auswirkt. Hier hilft es, sich die Sichtweise eines Sparring-Partners einzuholen, z. B. die eines guten Freundes oder eines befreundeten Start-ups.
Was wünschen Sie den beiden Gründern Dr. Winfried Materna und Helmut an de Meulen für die Zukunft?
Martin Wibbe: Vor allem, dass sie weiterhin gesund bleiben und uns mit ihrem Unternehmergeist und ihrer Erfahrung noch lange im Aufsichtsrat erhalten bleiben. Wir werden mit einer sehr guten Unternehmensleistung hoffentlich dazu beitragen, dass sie noch mehr Zeit für ihre Hobbies haben. 😉 .
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